Glück an der Küchenfront

Was ein Glück in der Küche stehen zu dürfen“. Na gut, diesen Gedanken können sicherlich nicht viele nachvollziehen. Einige allerdings schon und die verstehen mich.

Ich stehe seit meiner Kindheit – freiwillig – in der Küche. Ich kann mich gut erinnern wie ich meiner Mutter und besonders auch meinen beiden Omas über die Schulter schauen konnte. Ich verbrachte jeden Sonntag Vormittag in der Küche wo aufwendig gekocht wurde. Ich begann mit Karotten und Kartoffeln schälen und schneiden. Ich hatte Freude daran wenn mir die Zwiebelwürfel immer feiner gelangen. Es gab jeden Sonntag eine Suppe als Vorspeise, eine Hauptspeise und am Nachmittag einen Kuchen. Ja, kein Sonntag ohne Kuchen.

Während der besonders prägenden Phase meiner Kochbegeisterung wohnte meine Großmutter bei uns. Meine Oma war eine Oma wie sie im Bilderbuche steht. Eine Oma in Kittelschürze und Dutt aber einem freundlichen und gutmütigen Gesichtsausdruck. Geboren in den USA, später in Rumänien (Banat) aufgewachsen, während des 2. Weltkrieges als junges Mädchen in Österreich auf einem Hof „gedient“, war ihr Kochrepertoire recht breit gefächert. Banater schwäbische Gerichte, ungarische Gerichte, österreichische Küche und auch rumänische und serbische Gerichte standen bei uns auf dem Tisch.

Ich sollte an dieser Stelle erwähnen, dass meine Familie und auch ich aus dem Banat (Rumänien) kommen, wir sind also Banater Schwaben bzw. Rumänien Deutsche. Das Banat bestand aus einem Teil Rumäniens, Ungarns sowie des ehemalige Jugoslawiens. Die Banater Schwaben sprechen „schwowisch“, lebten in Dörfern die hauptsächlich von Deutschen besiedelt waren. Sie lebten ihre Kultur und hielten ihre Traditionen hoch.

Meine Oma backte in ihrem banater Dorf für Hochzeiten und Kirchweihen die Kuchen, so war es damals üblich und sie verdiente sich somit ein Zubrot. Auch Brot wurde bei ihr im Steinofen regelmäßig gebacken. Ich kann mich noch sehr gut an den weiß gekalchten Backofen in der „kleinen Kuchl“ erinnern und die große hölzerne Mehltruhe. Auch das vorweihnachtliche Schlachten der Schweine blieb mir in lebendiger Erinnerung.

Ich bin also mit einer sehr bodenständigen und – wie es heute so schön heißt – ehrlichen Küche groß geworden. Viele der verwendeten Lebensmittel stammten hauptsächlich aus dem eigenen Garten: Kartoffeln, Karotten, Wurzelpetersilie, Zwiebeln, Knoblauch, Rote Rüben, Salate, Gurken, Erbsen, Bohnen, Tomaten, Kohlrabi, Weißkraut, Kräuter, Walnüsse, Haselnüsse, Äpfel, Birnen, Zwetschgen, Kirschen, Trauben, Himbeeren, Erdbeeren usw. Selbst den Wein und einige Brände brannte bzw. kelterte mein Opa selbst. Und auch für Eier und Fleisch war durch das Halten allerlei Vieh gesorgt. Meine Großeltern hatten Schweine, Hühner, Gänse, Enten, Truthähne, Hasen und Tauben. Und wie es sich für einen Hof gehört natürlich auch einen Hund.

Immer wurden wir bei meinen Großeltern die noch am Land wohnten, mit den feinsten Köstlichkeiten erwartet – Taubensuppe, gebratene Tauben, Hühnersuppe, Gesottenes aller Art, frische und geräucherte Bratwürste, mit Salz eingeriebenem und an der Luft in der Speis getrockneter Schinken vom Schwein, selbstgemachte Leberwürste, frisches Brot mit Schmalz, feinste Kuchen und und und. Für mich gab es als allererstes Honigbusserl. Meine Oma konnte es kaum erwarten mir die Freude zu machen und mit mir in die Küche zu gehen um aus der Kredenz die Blechdose zu holen aus der ich mir immer ein paar Honigbusserl nehmen durfte. Leckere mürbe runde „Kekse“, die nach Honig schmeckten und mit einer sehr dünnen Zuckerglasur überzogen waren. Ich muss gestehen, dass ich, obwohl ich das Originalrezept meiner Oma habe, es noch nicht wagte sie nach zu backen. Zu groß ist der Respekt vor einer Enttäuschung. Aber ganz nach meinem Leitsatz werde ich es irgendwann angehen und es euch natürlich wissen lassen: Und plötzlich weißt du: Es ist Zeit, etwas Neues zu beginnen und dem Zauber des Anfangs zu vertrauen“…

Viele der Gerichte, die ich von meiner Oma und meiner Mama weitergegeben bekommen habe, habe ich natürlich auch schon selbst gekocht oder gebacken. Gulaschsuppe (Paprikasch) mit Kartoffeln, mit Schweinefleisch oder Hühnerfleisch, Tafelspitz mit Meerrettich, Sülze, gefüllte Paprika, gefüllte Kohlrabi, gefüllte Weinblätter, Palatschinken (Crepe), Kaiserschmarrn, Grießschmarrn, Nussnudeln, Mohnnudeln, Kartoffelsuppe, Tomatensuppe, Djuvecreis, serbische Bohnensuppe, Fleckelnsuppe, Schupfnudeln, Mici (Cevapcici), Hecht, Karpfen, Forelle, Waller, Quarkauflauf, Hühnerbrühen, Rinderbrühen, Salate, Strohkartoffeln, Farschierts, Zwetschgenknödel, Marmeladen, Apfelpita, Kürbisstrudel, Auberginensalat, Cremeschnitten, Londoner Schnitten, Walnusstorte, Mohnkuchen, Hefegebäck und vieles andere… Für viele Gerichte wurde die landestypische Bezeichnung verwendet: Farschierts für Hackfleisch bzw. Frikadellen, Paprikasch für Gulasch, Platschinken für Crepe oder Pfannkuchen, Krumbiere für Kartoffeln, Krien für Meerrettich, Weichseln für Sauerkirschen…

Und noch etwas hat sich im Laufe meiner Kochkarriere sehr verändert: die Kochutensilien. Meine Oma kochte und backte in ihrer Küche auf dem Land, auf bzw. in einem Ofen der mit Holz angeschürt wurde. Und über dem ein in rot selbst besticktes Küchentuch hing, mit einem wohlgemeinten Spruch darauf. Das war für sie selbstverständlich. Sie wusste genau wie viel Holz sie wann nachlegen musste und wie viel Zeit der Kuchen bei wie viel Hitze benötigte. In keinem der Rezepte meiner Oma steht: 180°, 30 Minuten :) Damit hätte sie damals nichts anfangen können.

Ich erinnere mich an einige Kochutensilien meiner Oma, bzw. Mutter: Schneeschloer (Schneebesen), Mehlsieb, Nudelholz, Krauthobel, Krautfass, Reibe, Brotschieber zum Einschießen des Brotes in den Ofen, Mohnmühle, Nussmühle, Milchkanne, Kartoffelstampfer, Waage mit Gewichten, Fleischwolf, Wurstpresse, Traubenpresse. Sehr einfach und spartanisch. Nicht zu vergleichen mit den heutigen Geräten. Wahrscheinlich kommt auch daher meine Begeisterungsfähigkeit für Küchenutensilien und –geräte aller Art, neue aber auch alte. Hätte man meiner Oma damals einen TM5 beschrieben, es wäre für sie mehr als undenkbar gewesen, eher noch Fiktion.

Einer meiner großen Küchenschätze ist das alte Kochbuch meiner Oma. Ein altes Schulheft meines Vaters in welches sie ihre wichtigsten Rezepte aufschrieb. Darin befinden sich auch viele kleine, mittlerweile recht vergilbte Zeitungsausschnitte, die sie immer ganz eifrig sammelte und ausprobierte. Dieses Büchlein hüte ich wie einen Schatz und ich würde mich sehr freuen es eines Tages weiter geben zu können. Würde meine Oma heute noch leben, sie wäre in diesem Jahr stolze 100 Jahre alt geworden…

Wieso dieser Blog? Wieso dieser Name? Wieso gerade Kochen, Gestalten, Handarbeiten?“

Ich weiß es nicht. Vielleicht weil ich ein bisschen stolz bin auf all das was ich kann, was ich lernen durfte. Vielleicht weil ich etwas weitergeben möchte von dem was ich kann. Vielleicht weil ich stolz bin auf meine Oma und ich das große Glück hatte so Vieles von ihr lernen zu dürfen. Vielleicht weil ich Freude daran habe mit anderen zu teilen. Vielleicht weil ich dankbar bin für all das Glück in meinem Leben…